Alexandra Jutzi, Mathias Schibli und Janina Siegwart zeigen, wie vielfältig und bereichernd eine Laufbahn in der Pferdebranche sein kann. Ihre Geschichten verbinden Fachwissen, Leidenschaft und den unerschütterlichen Willen, das Beste für die Pferde zu erreichen. Tauche ein in ihre Geschichten und Erfahrungen.
Alexandra Jutzi – die Weggestalterin
Nach der Lehre war für Alexandra Jutzi klar: Der Weg geht weiter. Mit Offenheit, Mut und dem Selbstverständnis, dass das Pferd im Mittelpunkt steht, hat sie sich weitergebildet, neue Pfade erkundet und sich ihren Platz in der Branche geschaffen.
Der Funke – Wie alles begann
«Mit zehn Jahren war ich das erste Mal bei Patricia Volpez Stern in den Jungreiterferien. Dort habe ich gespürt, wie erfüllend es ist, jeden Tag mit Pferden zu arbeiten. Je älter ich wurde, desto mehr durfte ich helfen. Erst im Stall, dann auch bei der Arbeit mit den Pferden. Besonders faszinierte mich, den Lernenden zuzuschauen. Ihre Leidenschaft hat mich so begeistert, dass für mich schnell klar war: Das will ich auch lernen.»
Die Lehrjahre – Grundlagen fürs Leben
«Meine Ausbildung absolvierte ich im Stall Josuran bei Nicole Josuran-Perret. Von ihr habe ich gelernt, beim Reiten wirklich auf das Pferd zu hören, es zu spüren und so ein gutes, pferdegerechtes Training zu gestalten. Diese Zeit war unglaublich lehrreich. Ich war hochmotiviert und konnte mich fachlich wie persönlich entwickeln. Geduld war meine grösste Herausforderung. Ich wollte im Sport vorwärtskommen, musste aber zuerst meine Lizenz machen, bevor es weiterging.»
Der Weg danach – Stationen und Wendepunkte
«Nach dem Abschluss machte ich den Bereiter 1 – heute vergleichbar mit der Spezialistin Pferdebranche. Dann zog es mich nach Neuseeland. Offiziell, um Englisch zu lernen, in Wirklichkeit verbrachte ich die meiste Zeit im Sattel. Zurück in der Schweiz arbeitete ich wieder als Bereiterin. Ich liebte die Arbeit, wusste aber, dass ich meine Leidenschaft langfristig sichern wollte. Also habe ich mich betriebswirtschaftlich weitergebildet. Nicht, weil ich den Pferden den Rücken kehren wollte, im Gegenteil. Ich wollte verstehen, wie ich meine Passion auch wirtschaftlich nachhaltig leben kann.»
Heute – Alltag, Leidenschaft und Wirkung
«Heute bin ich selbstständig und vereine physikalische mit energetischen Therapien für Pferde und andere Tiere. Je nach Bedarf arbeite ich mit unterschiedlichen Techniken, um Blockaden zu lösen, Beweglichkeit zu fördern und die Verbindung zwischen Pferd und Mensch zu harmonisieren. Daneben reite ich noch etwas und gebe gelegentlich Unterricht. Am meisten liebe ich es, Reitern und Pferden zu helfen, sich auf einer tieferen Ebene durch bewusstes Zuhören und stille Kommunikation zu verstehen. Die Freiheit, meine Leidenschaft zu leben, ist für mich das grösste Geschenk.»
Morgen – Pläne, Visionen und Ratschläge
«Ich möchte mein Geschäft weiterführen und stetig weiterentwickeln. Immer mit dem Ziel, dass Pferd und Mensch gemeinsam eine gute Zeit haben.
Welchen Rat ich an junge Menschen mit dem Berufswunsch in der Pferdebranche habe? Wenn es dein Herzensruf ist, dann folge ihm. Lass dich nicht ablenken oder beeinflussen, sei dir aber bewusst, dass der Beruf anstrengend sein kann. Er ist gleichzeitig unglaublich bereichernd. Vergiss nie, warum du ihn gewählt hast, und setze das Tier in den Mittelpunkt deines Handelns. Und wenn es mal nicht mehr geht, gönn dir eine Pause. Das ist völlig in Ordnung. Es gibt viele Wege und Perspektiven in dieser Branche, in denen du dich entfalten kannst.»
Mathias Schibli – der Ausbildner
Mathias Schiblis beruflicher Weg begann als Konstrukteur. In einem Reitstallbetrieb aufgewachsen, liessen ihn die Arbeit mit Pferden und das Leben im Stall jedoch nie los. Schritt für Schritt fand er seinen Platz in der Branche: als Reiter, Ausbildner und Berufsschullehrer, der heute nicht nur Pferde, sondern auch Menschen prägt.“
Der Funke – Wie alles begann
«Ich bin im Reitstall aufgewachsen, bin als Jugendlicher auch mal geritten, aber nie intensiv. Ich habe als Erstausbildung eine Lehre als Konstrukteur absolviert. Trotzdem habe ich gemerkt: Mich zieht es zu den Pferden, in den Stall, in die Natur, nach draussen. Nach der Lehre ging ich für ein paar Monate in einen Springstall in die USA, dann ein Jahr nach Hamburg. Spätestens danach wusste ich: Das ist es. Zurück in der Schweiz habe ich eine verkürzte Ausbildung zum Pferdefachmann EFZ gemacht und anschliessend die Berufsprüfung abgelegt.»
Die Lehrjahre – Grundlagen fürs Leben
«Ich habe mir mit dem Reiten etwas länger Zeit gelassen, war nie der Ehrgeizigste im Sport. Aber ich hatte Freude an allem im Stall. An den Pferden, klar. Aber auch den handwerklichen und landwirtschaftlichen Arbeiten, am Gestalten. Das prägt mich bis heute.
In meiner ersten Lehre als Konstrukteur musste ich auch mal den Kübel leeren oder die Kaffeemaschine putzen. Und ich habe es gern gemacht. Das nehme ich auch in die Pferdebranche mit: Abwechslung ist gut. Auch mal etwas anderes machen, den Kopf lüften.»
Der Weg danach – Stationen und Wendepunkte
«Heute unterrichte ich selbst in der Berufsschule. Da bin ich eher zufällig reingerutscht. Und trotzdem ist es eigentlich eine logische Weiterentwicklung. Schon als Junge wollte ich Lehrer werden, habe die Idee aber nie weiterverfolgt. Nun merke ich: Das liegt mir.
Reiterlich habe ich mich ebenfalls stark entwickelt. Ich war viele Jahre aktiv im Sport, Teil des Schweizer Nationalkaders. Doch mit Sport, Familie und Betrieb wurde irgendwann klar: Alles geht nicht. Ich wollte mehr zuhause sein, und so hat sich der Fokus verschoben.
Mit Bruno Fuchs habe ich einen gleichberechtigten Partner im Betrieb. Wir werden beide älter, reiten weniger als früher, haben dafür neue Aufgaben. Der sportliche Schritt zurück war für mich also eigentlich eine Chance, mich mehr auf anderes zu konzentrieren.»
Heute – Alltag, Leidenschaft und Wirkung
«Was mir an der Ausbildung von Nachwuchskräften besonders gefällt? Junge Menschen wachsen zu sehen. Nicht nur fachlich, sondern vor allem menschlich. Fachliche Fähigkeiten kann man beibringen. Wichtiger sind heute für mich soziale Kompetenzen: Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Loyalität und Leidenschaft. Gerade heute ist das entscheidend. Die jungen Leute stehen unter einem Dauerfeuer an Einflüssen und Möglichkeiten. Sie vergleichen sich ständig: Der eine hat ein neues Pferd, der andere reitet mehr Turniere. Umso wichtiger ist es, ihnen beizubringen, wie wertvoll es ist, verlässlich zu sein und Freude am Beruf zu haben. Das versuche ich vorzuleben. Ich schätze so einen Lernenden, der vielleicht etwas schlechter reitet, aber zuverlässig ist, mehr als jemanden, der zwar super reitet, aber ständig zu spät kommt.»
Morgen – Pläne, Visionen und Ratschläge
«Ich bin stolz auf unsere Ausbildungsphilosophie im Stall. In den letzten 20 Jahren hatten wir nur zwei Lehrabbrüche – einer davon aus gesundheitlichen Gründen. Das möchte ich unbedingt so weiterführen. Unser Erfolgsrezept: von Anfang an ehrlich zeigen, wie der Alltag aussieht. Wer bei uns schnuppern kommt, erlebt den Beruf so, wie er ist. Am liebsten gleich über eine ganze Woche mit 5,5 Arbeitstagen. Wenn es passt, folgen weitere Schnupperwochen, immer eingebunden in den echten Arbeitsablauf. Auch mit den Eltern sprechen wir: Sie müssen wissen, dass der Beruf Leidenschaft erfordert, Misten und Pflege dazugehören und nicht jede Aufgabe glamourös ist.
Der Stallalltag hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren kaum verändert, die Kundschaft jedoch sehr. Der Stellenwert des Pferdes ist gestiegen – was gut ist. Aber wir dürfen nicht vergessen: Das Pferd braucht pferdegerechten Umgang, keine Vermenschlichung.
Für die Lernenden heisst das: Sie müssen heute ein extrem breites Berufsbild abdecken. Reiten, pflegen, mit Kunden umgehen, unterrichten. Dazu braucht es Reife, Zuverlässigkeit und die Fähigkeit, für die eigene Kompetenz einzustehen. Fachliches kann man lernen, aber Leidenschaft und Haltung machen den Unterschied. Wer das mitbringt, erlernt einen wunderschönen Beruf mit vielen Perspektiven. Genau das möchten wir auch in Zukunft fördern.»
Janina Siegwart – die Quereinsteigerin
Was als Kindheit im Stall begann, führte Janina Siegwart über ein Agronomiestudium bis zur eidgenössischen Spezialistin der Pferdebranche mit eidgenössischem Fachausweis. Immer mit dem Ziel, Pferde fair und fundiert auszubilden auf Basis der klassischen Reitweise.
Der Funke – Wie alles begann
«Meine ersten Erfahrungen mit Pferden habe ich in einem Gruppenlaufstall gemacht, in dem Ponys und Pferde für therapeutisches Reiten eingesetzt wurden. Ich half so oft wie möglich beim Misten, Putzen, Führen der Pferde und beim Begleiten der Reitstunden mit. Das Reiten selbst stand lange nicht im Vordergrund. Mich faszinierte vielmehr, was Pferde für Menschen bewirken können. Dieses Gefühl hat mich nie losgelassen. Später nahm ich bei meiner Tante Reitstunden, machte das Brevet und half im Stall von Marco Moser – vom Bewegen der Schulpferde bis hin zu Einsätzen im Sport.»
Die Lehrjahre – Grundlagen fürs Leben
«Nach der Matura begann ich ein Tiermedizinstudium, merkte jedoch schnell, dass mir der direkte Kontakt zu den Pferden fehlte. In einem Zwischenjahr arbeitete ich auf einem grossen Landwirtschaftsbetrieb, ritt viel und entschied mich schliesslich für ein Agronomiestudium mit Schwerpunkt Pferdewissenschaften. Während des Studiums und später als Assistentin an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften blieb ich dem Reiten treu, bildete Pferde aus und erteilte Unterricht. Diese Erfahrung ermöglichte mir, als Quereinsteigerin direkt die höhere Berufsbildung zur Spezialistin der Pferdebranche klassisches Reiten zu absolvieren, ohne den Umweg über die EFZ-Ausbildung.»
Der Weg danach – Stationen und Wendepunkte
«Die Zucht, der Sport und die Menschen verändern sich im Wandel der Zeit. Verschiedene Erfahrungen und Beobachtungen der Entwicklungen führen dazu, dass mir immer wieder bewusst wird, wie wichtig eine fundierte Ausbildung von Pferd und Reitern ist. In der Pferdebranche gibt es viele selbsternannte Profis.Natürlich kann man auch ohne formale Ausbildung ein guter Pferdemensch sein, doch eine fundierte Aus- oder Weiterbildung bleibt ein Qualitätssiegel. Sie gibt Sicherheit, dass auf einem soliden Fundament und mit korrektem Handwerk gearbeitet wird. Dazu gehört auch, sich stets weiterzubilden und weiterzuentwickeln.
Die Ausbildung zur Spezialistin habe ich in erster Linie für mich selbst gemacht. Sie war eine wertvolle Mischung aus Theorie und Praxis: von Kursen bei Top-Ausbildern bis zur dreimonatigen Ausbildung eines Jungpferdes. Ich habe nicht nur reiterlich, sondern auch methodisch und didaktisch viel gelernt. Als Quereinsteigerin bringe ich ausserdem automatisch einen anderen Blick mit. Ich komme nicht aus dem klassischen Sportreiter-Umfeld, sondern aus einer Philosophie, in der das Pferd in erster Linie Partner ist. Dieses Verständnis prägt meine Arbeit jeden Tag.»
Heute – Alltag, Leidenschaft und Wirkung
«Ich arbeite beim Kanton Schwyz im Amt für Landwirtschaft. Zudem biete ich Beritt und Unterricht an, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Jungpferdeausbildung. Die Entwicklung von einem noch unerfahrenen Pferd zu einem verlässlichen Partner mitzuerleben, ist jedes Mal etwas Besonderes. Ich nehme mir bewusst die Zeit, die es braucht, und orientiere mich dabei am Pferd und seinen Bedürfnissen.
Grosse Freude bereitet mir auch die Begleitung von Pferd-Reiter-Paaren. Es gibt kaum etwas Erfüllenderes, als zu sehen, wie beide gemeinsam wachsen. Besonders schön ist es, wenn Kinder aufblühen. Sie lernen unglaublich schnell und die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Pferd, die daraus entsteht, bleibt prägend.»Morgen – Pläne, Visionen und Ratschläge
«Ich möchte meinen Weg so weitergehen, wie er für mich stimmt. Mit Menschen und Pferden arbeiten, die dieselbe Leidenschaft und dieselben Werte mitbringen. Junge Pferde auszubilden, bleibt ein zentrales Ziel. Die klassische Reitweise ist kein Auslaufmodell – im Gegenteil. Sie ist aktueller denn je, weil sie auf der Psychologie und Physiologie des Pferdes basiert. Wer sie kennt und korrekt anwendet, besitzt die Fähigkeiten, um Pferde fair, gesund und nachhaltig auszubilden. Dieses Fundament sollten wir viel stärker in den Vordergrund rücken und kommunizieren, so wie es andere Reitweisen auch tun.
Mein Rat an Quereinsteiger:innen und alle Pferdemenschen: Nutzt jede Gelegenheit, unterschiedliche Pferde zu reiten und zu erleben. Beobachtet, lernt, bleibt neugierig und kritisch. Die Liebe zum Pferd als Partner darf nie verloren gehen. Die klassische Reitweise hat viel zu bieten, wenn sie pferdegerecht umgesetzt wird. Und: Es ist nie zu spät, in die Branche einzusteigen, wenn man Durchhaltewillen und Leidenschaft mitbringt.»