Let’s talk about… Diini Lehr in der Pferdebranche

«Ich wollte mehr als nur ein Hobby. Ich will das 24/7 machen.»

Wer mit Pferden arbeitet, braucht mehr als Tierliebe. Früh aufstehen, anpacken, Verantwortung übernehmen und das bei jedem Wetter. Trotzdem, oder gerade deshalb, ist die Lehre in der Pferdebranche für viele junge Menschen genau das Richtige. Vier Lernende erzählen, wie sie diesen Beruf erleben: zwischen Stallgeruch, Lieblingsmomenten und der grossen Hoffnung, mit Pferden zu leben und zu arbeiten. Ihre Geschichten zeigen: Es ist kein einfacher Weg. Aber ein echter.

Beruf oder Berufung?

«Ich wollte mehr als nur ein Hobby. Ich will das 24/7 machen», sagt Joel Sommer. Er macht im Pensions- und Ausbildungsstall Steindrüsen in Maur ZH die Lehre zur Pferdefachperson EFZ. Ähnlich klingt es bei Jill Signer. Sie ist im letzten Lehrjahr und sagt: «Ich hatte schon mein ganzes Leben mit Pferden zu tun. Da war der Entscheid für diese Lehre nur logisch.» Was alle verbindet, ist die tiefe Bindung zum Tier. Für Deborah Waldis, die wie Jill im Reit-, Pensions- und Ausbildungsstall Ryterland in Henau SG ihre Ausbildung absolviert, war das Schnuppern ausschlaggebend: «Ich wusste erst nicht, was ich machen soll. Aber nach dem Schnuppern war klar: Das ist es!»

Der Alltag: mehr als Misten und Reiten

Klar: Reiten steht für viele ganz oben. Aber auch der Kontakt mit den Tieren und die Fortschritte, die man erlebt, begeistern. «Wenn ich sehe, wie sich ein Pferd oder auch ich selbst verbessere, gibt mir das extrem viel», erzählt etwa Joel. 

Und dennoch: Der Alltag ist herausfordernd. Spontane Zusatzarbeiten, unzufriedene Pensionäre, volle To-do-Listen. «Da musst du flexibel bleiben», sagt Deborah. Jill bringt es auf den Punkt:  «Der Tag ist durchgetaktet. Wenn man nicht mithält, wird’s schnell stressig. Aber das sind alles auch Dinge, die wir in der Schule lernen.»

Erwartungen vs. Realität 

Ist die Lehre so, wie sie sie sich vorgestellt haben? «Ja, definitiv», sagt Lailani Cooper, die ein Lehrjahr unter Jill und Deborah im selben Betrieb ausgebildet wird. «Ich wusste, das ist kein Bürojob. Aber den wollte ich ja auch nicht.» 

Die Meinungen sind klar: Ja, die Ausbildung ist fordernd. Aber sie ist auch erfüllend. «Manchmal ist es strenger als in anderen Berufen. Trotzdem mache ich es gerne und ich würde nichts anderes wollen», sagt Deborah. Joel ergänzt: «Die Pferde geben dir so viel zurück. Wenn du motiviert bist, spüren sie das und arbeiten auch gerne mit dir.»

Teamwork: das unsichtbare Rückgrat

In dieser Lehre geht es nicht nur um Pferde. Es geht auch ums Miteinander. «Gerade wenn es schwierig ist, ist das Team mega wichtig», sagt Lailani. 

Joel, der als einziger Lernender im Betrieb arbeitet, fühlt sich gut betreut und bestätigt das. «Ich kann jederzeit zum Chef. Wir verstehen uns sehr gut.» 

Und auch Deborah betont: «Dass man sich versteht, ist das A und O. Vertrauen gehört einfach dazu.»

Lieblingsmomente 

Jill erinnert sich gerne an schöne Teamanlässe oder besondere Momente mit Pferden. Joel erzählt stolz vom Fohlen, das er während seiner ersten Lehre zum Pferdewart EBA auf die Welt kommen sah. «Solche Erlebnisse vergisst man nicht.» Und für Lailani ist es etwas ganz Persönliches: «Ich finde es schön, dass ich mein eigenes Pferd hier haben darf.» 

Stress und Work-Life-Balance 

Alle sind sich einig: Der Beruf verlangt viel, körperlich wie mental. Ruhepausen, Schlaf und soziale Kontakte helfen. Joel erzählt: «Wenn ich frei habe, bin ich einfach mal zuhause. Oder mit meiner Freundin.» Und trotzdem sind es die Pferde, die auch in der Freizeit eine Rolle spielen. «Nach dem Arbeiten gehe ich reiten. Mein Beruf ist nun mal auch mein grösstes Hobby», sagt Deborah. 

Perspektive: bleiben oder gehen?

Die Branche beklagt sich oft, dass viele Absolvent:innen nicht auf dem Beruf bleiben. Doch Joel, Jill, Deborah und Lailani sehen ihre Zukunft ganz klar in der Pferdewelt. Sie alle planen, dem Pferdeberuf treu zu bleiben. Und sie haben Ambitionen. Joel träumt davon, später einen Betrieb zu übernehmen, im Sport erfolgreich zu sein und vielleicht Pferde zu züchten. Jill denkt über eine Weiterbildung nach. Und Deborah bringt es realistisch auf den Punkt: «Viele gehen, weil’s körperlich streng ist und der Lohn tief. Aber wenn du’s liebst, bleibst du.» 

Was sich ändern müsste 

Fast alle Lernenden wünschen sich bessere Entlohnung. «Es ist schwierig mit unseren Löhnen zu leben. Wenn man dann noch ein eigenes Pferd will, wird es quasi unmöglich», sagt Jill. 

Joel geht noch einen Schritt weiter: «Ich wünsche mir, dass mehr Betriebe ausbilden. Und dass die Pferdehaltung überall so angepasst wird, dass es den Tieren wirklich gut geht. Denn ohne sie könnten wir diesen Beruf ja gar nicht machen.»

Die Lehre in der Pferdebranche ist keine romantische Idylle. Sie ist intensiv, fordernd und voller Verantwortung – für Tiere, für Menschen, für sich selbst. Und doch ist sie für viele junge Menschen genau das Richtige. Wer mit Leidenschaft, Ausdauer und echtem Herz für Pferde antritt, findet in diesem Beruf nicht nur eine Ausbildung, sondern eine Aufgabe fürs Leben. Mit etwas Glück auch einen Ort, an dem Arbeit und Erfüllung zusammenkommen. Und wer dranbleibt, dem stehen nach der Lehre viele Wege offen: Ob im Sport, in der Ausbildung, im eigenen Betrieb. Wer seine Spur gefunden hat, reitet nicht nur mit, sondern voraus.

Dein Tipp an künftige Lernende?

«Überleg dir gut, ob du das wirklich willst. Es ist ein harter Job. Aber ein wunderschöner, wenn du mit Herz dabei bist.» – Jill Signer
«Mach unbedingt ein längeres Praktikum. Eine Woche reicht nicht, um wirklich zu wissen, worauf du dich einlässt.» – Deborah Waldis

«Sei freundlich. Einerseits zu den Kunden, denn sie sind ein wichtiger Teil unseres Berufs. Andererseits zu den Pferden, denn ohne sie geht es nicht.» – Joel Sommer

«Wenn’s mal nicht so gut läuft, denk daran: Auch harte Tage im Stall gehören dazu. Sie machen dich stärker und erfahrener.» – Lailani Cooper